Dez 15

Infobrief Juli 2015

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Dez 14


Liebe Freunde!

Jetzt mal ehrlich, wer kennt das nicht, man liest einen Bericht von einem Freund, Pastor, Missionar, oder irgendeinem Werk und denkt: WAU! TOLL, wie Gott da wirkt! Da läuft alles glatt! Keine Probleme! Sichtbar wie Gott durch diese Menschen wirkt, denen geht es wirklich gut, wie die immer strahlen! Vielleicht bekommt der Ein oder Andere diesen Eindruck auch von uns, wenn sie die Monatsberichte mit den vielen Bildern auf unserer Internetseite durchklicken oder unsere Rundbriefe lesen. JA; Unser Leben ist sehr bewegt, wir erleben in einem Monat super viel und ja, GOTT segnet uns, gibt Gelingen, öffnet Türen, schenkt Wunder. Bei allem ist und bleibt es uns ein tiefes Anliegen ehrlich und transparent zu bleiben, nichts zu beschönigen, oder gut zu reden. Aber das ist auch schwierig, weil wir ja auf das Wohlwollen unserer Freunde und nicht zuletzt unserer Spender angewiesen sind. Wir wollen eine Brücke schlagen, die Ferne, die Kulturunterschiede, das andere Denken, die verschiedenen Lebensrealitäten erklären. Wir versuchen in Text und Bild so viel wie möglich zu dokumentieren. Tatsache ist aber, daß nach 20 Jahren Bolivien, idealistische Einstellungen und romantische Vorstellung keinen Platz mehr haben.

“Entre dicho y hecho hay un gran trecho” heißt übersetzt: “Zwischen Sagen und Tun liegt eine weite Strecke!” Genau diese Tatsache erzeugt in uns immer noch und immer wieder Spannungen. Wenn: „Ich bin gleich da“ eigentlich: „Ich gehe gerade erst aus dem Haus“ oder „ Ich komme ein bisschen später“ eigentlich, je nach Situation auch: „ich komme gar nicht“ bedeuten kann, sind das banale Beispiele für einen Alltag, der mit tausenden von solchen Interpretationsfähigen Aussagen gepflastert ist. Im Allgemeinen können wir gut damit umgehen und fallen nur noch hin und wieder darauf rein. Zum Beispiel letzte Woche. Unser Auto ist in der Werkstatt. Wir rufen an. „Morgen ist es fertig“ heißt es. Wir fahren am nächten Tag hin um es abzuholen. Fehlanzeige. „Morgen ist es fertig“ sollte eigentlich „rufe bitte morgen früh an und frag ob es wirklich fertig ist“ heißen. Aber was uns immer noch schwer fällt und oft genug auch wirklich weh tut und traurig stimmt ist, daß wir oft keinen Unterschied bei unseren Glaubensgeschwistern erkennen. So wird im Gottesdienst zum Abschluss insbrünstig und sich an den Händen haltend, gesungen: „Wir sind eine Familie, ich brauche Dich, Du brauchst mich“ und drei Minuten später beim Ausgang wird geschupst, gedrängelt und gehupt. Wir haben in gutem Glauben einem Bruder im Herrn eine größere Summe Geld geliehen, für drei Monate. Das ist jetzt drei Jahre her.

Viele schöne Beteuerungen und Vertröstungen gab es seither, mehr nicht. Der gläubige Mechaniker, der gläubige Architekt oder der gläubige Rechtsanwalt unterscheidet sich im Alltag und in seiner Arbeit in nichts zum Ungläubigen. Bolivianischen Glaubens Geschwister sagen zu uns: „Wenn du eine Auftragsarbeit zu vergeben hast, dann gib sie lieber nicht an einen Bruder aus der Gemeinde. Bei eventuellen Reklamationen belastet das nur deine Beziehung zu ihm.“ Schon öfters haben uns Menschen gesagt „Du kannst hier bei uns in Bolivien niemandem glauben, Du kannst dich hier auf niemanden verlassen“. Es ist wirklich schade daß wir, je länger je mehr, auch zu dieser Aussage tendieren. Was heute herzzerreißend beteuert wird ist morgen wieder vergessen. Innerhalb der Gemeinde wird ein großer Anspruch gepredigt, aber in der Feuerprobe des Alltags geht vieles in Rauch auf. Natürlich, im Spiegel der Bibel sind wir weder besser noch schlechter. Die Gaben sind anders verteilt. Wir müssen aufpassen, daß unsere Liebe nicht erkaltet, daß wir uns nicht durch einen Richtergeist versündigen und die vielen negativen Erfahrungen uns nicht bitter, frustriert oder depressiv werden lassen.

Tatsache ist, daß niemand diese Spannung auflösen kann. Wir kennen einige Ausländer die nach vielen Jahren Bolivien frustriert und desillusioniert verlassen. Uns ist bewusst, daß nur das heilbringende und erlösende Evangelium Rettung und Hoffnung bringt. Nur in und mit der Liebe Gottes, seiner Hilfe und Fürsorge können wir diese Spannung auch weiterhin aushalten.

REMAR
Im Oktober letzten Jahres hat unsere Mitarbeit bei REMAR Santa Cruz begonnen. Remar ist eine internationale Organisation die mittlerweile in 70 Ländern der Welt Rehabilitationszentren, Kinderheime und andere Hilfsprojekte unterhalten. Remar Santa Cruz betreibt ein Rehabilitationszentrum für Drogen / Alkoholabhängige Männer in Cotoca, ca. 1 Stunde Nordwestlich von Santa Cruz, sowie ein Kinderheim für Mädchen die vom Jugendamt nach sexuellen Übergriffen oder Missbrauchsituation eingewiesen werden. Wolfgang begann sich in das bestehende Rehateam einzugliedern, die „Junkies“ auf der Straße zu besuchen, Gespräche, Seelsorge, Bibelarbeiten, und praktische Mithilfe im Rehazentrum zu leisten. Dies beinhaltet viele Fahrten nach Cotoca. Ende letzten Jahres kamen wir mit der Leitung Remar Santa Cruz überein, für Remar ein Büro in Santa Cruz zu führen da das Mädchenheim ebenfalls nach Cotoca umziehen sollte. Am 5ten Januar, passend zu meinem Geburtstag, veranstalteten wir eine aufwendige Einweihungsfeier der von uns angemieteten Büroräume. Am 6ten Januar wurde ich gebeten die Leitung des Mädchenheims zu übernehmen, nachdem sehr kurzfristig die aktuelle Heimleiterin nach La Paz abberufen wurde und der Umzug des Heimes nach Cotoca noch dauern würde. So trat ich am 10. Januar die neue Aufgabe im Mädchenheim an, die Büroidee wurde auf Eis gelegt. Das ist Kultur. Was heute beschlossen, kann morgen schon wieder ganz anders sein... .

Der Einstieg in das bestehende Heimgefüge war für mich alles andere als einfach. Über Nacht hatte ich einen 10 Stunden Tag. Die Mädchen waren verunsichert und zum Teil empört, denn ich erwartete doch tatsächlich, daß die bestehenden Regeln auch eingehalten werden. Es wurde ausgetestet und rebelliert. Ich eckte mit meiner perfektionistischen, kulturfremden Art an. Die langjährige Erzieherin, die vom Jugendamt bezahlt, für Remar arbeitet, war ebenfalls durch „die Ausländerin“ verunsichert. Sie ließ sich von den Mädchen manipulieren, und war mir gegenüber anfangs weder loyal noch freundlich gestimmt. Zudem gab es schon bald unerklärliche und nicht nachvollziehbare Anschuldigungen von Seitens des Leiters Remars. Das alles stresste mich enorm.
Im März nahm ich mich für eine Woche aus dem Betrieb heraus. Es gab klärende Gespräche mit dem Leiterehepaar, Pastor Edwin bat mich ausdrückliche um Vergebung für seine unsensiblen Anschuldigungen. Ich entschied meine Präsenz im Heim zu reduzieren. Gott stellte mir Johanny, eine erfahrene, gläubige Sozialarbeiterin zur Seite die mir den Rücken stärkte und viel ermutigende Worte für mich hatte. Später kam dann noch Andrea, eine gläubige Psychologin mit ins Rennen. Zusammen mit Johanny brachten wir die heiminterne Dokumentation auf den, vom Jugendamt erwarteten Standard.
Es galt Ordnung und System ins Büro zu bekommen. Die Delegation von Verantwortung und klare Absprachen mussten geübt und eingehalten werden. Ich begann mit regelmäßigen Teamsitzungen, dies verbesserte die Kommunikation, insbesondere mit Erzieherin Ely. Viel Gebet, freundlicher Umgang und ein teures Geschenk zum Geburtstag erweichten so nach und nach ihr Herz. Mittlerweile sind wir stolz auf ein gutes Team. Wir lachen viel und die gewonnen Einheit gibt den Mädchen Halt. Das Jugendamt, welches alle drei Monate unangekündigt zur Kontrolle vorbeikommt, beglückwünschte uns zu den erreichten Zielen und lobte die gute Zusammenarbeit.

Ja, und die Mädchen? „Jeder Mensch ist eine Welt“. Jedes Mädchen hat seine besondere Geschichte, keine gleicht der Anderen und doch haben sie alle eines gemeinsam: Sie wurden von Personen ihres Vertrauens enttäuscht, ausgenutzt und übelst behandelt. Sexuelle Belästigung, Missbrauch, Vergewaltigung, gezwungene Schwangerschaftsabbrüche haben tiefe Wunden geschlagen. Bis es zur Anzeige kommt ist es ein langer Leidensweg. Oftmals vermeiden die Mütter eine Anzeige da sie finanziell vom Vater/Stiefvater abhängig sind. In der Regel kommt nach der Anzeige der Täter ins Gefängnis. Doch damit hört der emotionale Druck auf das Mädchen nicht auf. Ganze Familien verschwören sich gegen das Opfer, weil sie ihre Realität nicht wahr haben wollen. In einer Machogesellschaft hat das Mädchen „schuld“. Sie lügt, fantasiert, die Tat wird geleugnet, herunter gespielt und es wird viel dafür getan den Täter aus dem Gefängnis wieder frei zu kaufen.
Die Mädchen sind bei uns weil sie Schutz brauchen, doch davon sind sie oftmals selbst nicht überzeugt. Natürlich haben sie, trotz dem erfahrenen Leid, Heimweh. Natürlich sind sie ganz normale Teenager, brauchen Führung, Korrektion und klare Ansagen. Schule, Hausaufgaben, Mithilfe im Haushalt, einen geregelten Alltag haben manche nie erlebt. Körperpflege, Hygiene, Wäsche versorgen sind Dinge, die sie bei uns ab dem ersten Tag leisten müssen.




Dorothea mit ihrem Team

Unser Aufgabe ist es mit den Mädchen zusammen im familiären Umfeld jemanden zu finden, der für das Mädchen den Vormund übernehmen kann/will. So konnten wir im ersten Halbjahr in 18 Fällen Onkel, Tante, oder Cousine ausfindig machen und nach einem legalen Prozess der familiären Eingliederung das Mädchen in ein neues, sicheres häusliches Umfeld entlassen. Wir sind ein Durchgangsheim. Die Mädchen bei denen es kein vertrauensvolles Umfeld gibt konnten wir an andere Heime überweisen. So haben wir derzeit noch fünf Schätze in unserer Obhut. Das Jugendamt hat, seitdem der Leiter von Remar Santa Cruz angekündigt hat in den Schulferien das Heim nach Cotoca zu verlegen, aufgehört neue Mädchen einzuweisen. Wir befinden uns also in einer Umzugssituation. Die Hälfte der Sachen sind abtransportiert die andere Hälfte in Kartons verstaut. Wie und wann und mit wem es in Cotoca weiter geht weiß, ganz kulturgerecht, noch niemand so genau... .




Projekt JIREH
Seit über einem Jahr unterstützen wir in verschiedener Art das Projekt „Jireh“. Von Norwegischen Missionaren gegründet fördert es 120 Familien aus armen Verhältnissen. Im November letzten Jahres wurden wir als Referenten für die Elternschulung angefragt. Diese konnten wir im April nach 15 Abenden erfolgreich abschließen. Aufgrund der guten, positiven Resonanz bat uns nun die Leiterin einige Familien in Einzelbetreuung weiter zu begleiten. Auch wenn es immer einen langen Anfahrtsweg bedeutet, da das Armenviertel am anderen Ende der Stadt liegt, versuchen wir 1x pro Woche verschiedene Familien zu besuchen. In der Regel werden wir dankbar begrüßt und unsere Ratschläge werden auch dankbar beherzigt. Leider fehlt es uns an Zeit diese Arbeit intensiver zu betreiben sodass wir beide das Gefühl haben dem Anspruch nicht wirklich gerecht zu werden.

Privat
Bald schon kommen wir wieder nach Deutschland. Im August werden wir für drei Wochen in Karlsruhe sein. ( 8. – 28. August) Dieses mal ist es Dorotheas Mutter die ihren 80ten Geburtstag in großer Familien / Freundesrunde feiert. Natürlich freuen wir uns nicht nur auf sie und die Familie sondern auch auf unseren Thomas der dann sein Bundesfreiwilligen Jahr beim CVJM in Unteröwisheim abgeschlossen haben wird. Ab September wird er eine Lehre als Elektriker beim Energiekonzern EnBW in Karlsruhe beginnen. Derzeit beten wir für ein passendes Zimmer in einer christlichen WG oder einem Zimmer mit Familienanschluss im Großraum Karlsruhe. Gerne dürft ihr ihm beim Suchen behilflich sein. Falls ihr etwas Konkretes wisst freuen wir uns über eine Rückmeldung. (Handy Thomas: +49-157-38097988)

Unsere Ann-Kathrin hat erfolgreich ihr 5tes Semester Zahnmedizin hinter sich gebracht. Jeder Student weiß, dass das Studieren immer mit Stress, Höhen und Tiefen einher geht, und so genießt sie derzeit ihre Semesterferien. Mit Ihrem Papa durfte sie fünf wundervolle Tage in La Paz erleben, die Yungas mit dem Fahrad herunterfahren und den Titicacasee in seinem Naturschauspiel bewundern. Wolfgang nutzte de Gelegenheit um Remar La Paz kennen zu lernen.

Wie immer gäbe es noch viel mehr zu erzählen, dazu verweisen wir auf das Bilderalbum, wo Monat für Monat in Bild und Text mit verfolgt werden kann, was bei uns so alles los ist. Wir freuen uns daß viele Leser und Unterstützer davon regelmäßig Gebrauch machen.

Herzliche Grüße senden Wolfgang und Dorothea.

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