Sep 20

Juni 2020


Dez 19

 


Liebe Freunde!

Die neue Normalität - „La nueva normalidad“

Hühnchen, Reis, Zwiebeln, Kartoffeln oder Gemüse bestellen, Anlieferung annehmen, Übergabe der Lebensmittel mit den Gemeinschaftsküchen organisieren sowie Fotos für den WatthsApp-Status machen. Über Online Dienste Gottesdienste besuchen, an ZOOM-Sitzungen teilnehmen und ansonsten mit reduzierter Mobilität zurechtzukommen, das ist derzeit unsere „neue Normalität“.


Vor mehr als 9 Wochen (am 22. März) hatten wir in Bolivien den „Shutdown“. Unsere Übergangsregierung mit Jeanine Añez als Präsidentin wurde international gelobt für ihre schnelle und entschlossene Vorgehensweise, Bolivien mit den ersten drei bekannt gewordenen Covid 19 Fällen am 12. März 2020 in Arlarmbereitschaft zu versetzten. Das Wissen um ein schlechtes Gesundheitssystem, und somit die Angst, im Ernstfall aus Mangel an Intensivplätzen, Ärzten sowie Gesundheitspersonal nicht behandelt werden zu können, ließen eine Großzahl der Menschen die vorgeschriebenen Maßnahmen, wie Fahrverbot und Ausgangssperre, einhalten. Es gab z.B. keinerlei Diskussion über Mundschutz oder Desinfektionsmaßnahmen an öffentlichen Einrichtungen. Doch so langsam werden die Menschen der Quarantäne überdrüssig. Die finanzielle Hilfe die die Regierung für Familien, Kinder und Studenten bereit stellte sind schon längst aufgebraucht.


Kontrollen durch die Polizei, der Hinweis auf die Maskenpflicht und der starke Anstieg der Infektionen im Mai in Bolivien.

Die Menschen wollen wieder arbeiten, ja, sie müssen wieder arbeiten, denn viele haben keine zwei Euro mehr in der Tasche. Doch in Bolivien ist die Spitze der Ansteckungskurve noch nicht erreicht. Heute den 30. Mai, zählen wir in ganz Bolivien 10.000 Infizierte. In Santa Cruz sind jetzt schon die Krankenhäuser voll. In Trinidad, eine Stadt im Norden des Landes, eskaliert die Situation bereits. Weil keine Schutzanzüge vorhanden waren haben sich 50 % aller Ärzte infiziert, es gibt kein Gesundheitspersonal und der Friedhof hat keine Kapazitäten mehr, täglich sterben die Menschen wegen mangelnder Medizinischer Versorgung. Man erwartet für Santa Cruz 15.000 Infizierten und rund 1000 Tote bis Mitte Juni.

So langsam erreichen auch uns Nachrichten von Menschen aus unserem Umfeld die an/mit/oder wegen Covid-19 auf Intensiv liegen oder sterben. Wir persönlich können die weitere Entwicklung nicht abschätzen. Wir schützen uns so gut wir können, gehen nur zum Nötigsten aus dem Haus, ernähren uns gesund, schlafen genug und stärken unser Immunsystem mit Vitaminen, Aloe und Kombucha.

Dorothea versucht täglich ihren WhattsApp Status zu speisen, sie freut sich, das rund 150 Personen diese Bilder anschauen, und ab und zu auch darauf reagieren. Es ist eine schöne Form kurz und knapp von unserer "so anderen Welt" zu berichten. Gerne dürft ihr mir eure Nummer schicken (+591 77669128 Dorothea)


Neue Zeiten: an Videokonferenzen teilnehmen, Videobotschaften aufnehmen, und viele WhattsApp Nachrichten in alle Welt verschicken.

Projekt Für eine bessere Zukunft
Als Ansporn gute Leistung in der Schule zu erzielen, versprachen wir unseren Projektkindern Anfang letzten Jahres einen Kinobesuch,- wenn im Dezember das Abschlusszeugnis die Durchschnittsnote 2,5 oder besser ist. Zu unserer Freude „mussten“ wir gleich zwei Mal ins Kino fahren, denn immerhin haben 22 von 37 Schülern dieses Ziel erreicht.
Im Januar sind noch Schulferien, und so haben wir auch dieses Jahr wieder die freie Zeit der Schüler genutzt um eine Kinderbibelwoche sowie einen Englisch Intensivkurs anzubieten. Beides wurde sehr gut besucht und machte Spaß.

Der Schulanfang im Februar ist mit dem Einkaufen und Besorgen aller Schulmaterialien für die Projektkinder der arbeitsaufwendigste Monat. Ebenso begann die Hausaufgabenbetreuung in den von uns angemieteten Räumen. Da wir nun auch, dank Spenden aus Deutschland, Internet sowie zwei Laptops zum Surfen anbieten können wird das Angebot besonders von den Sekundarschülern genutzt. Bis zum „Shut Down“ Mitte März kamen regelmäßig an die 30 Kinder, die von drei Lehrkräften betreut wurden. (siehe auch Internetseite Monat Februar / März).


Der Kinobesuch mit der zweiten Gruppe an guten Schülern. Mitte: die Englischgruppe und Rechts die Kinderbibelwoche.

Die ersten drei Wochen der Quarantäne waren wir damit beschäftigt unsere Projektfamilien, die ja schon unter „normalen“ Umständen am Existenzminimum leben, mit Lebensmittel zu versorgen, zumindest für die, die in unserem unmittelbaren Umfeld wohnen. Jeden Montag dürfen wir nach der Endnummmer unseres Ausweises raus und Besorgungen erledigen. Anfang Mai organisierten sich dann in vielen Wohnvierteln sogenannte „Ollas comunes“ (Gemeinschaftsküchen). Die Nachbarn einer Straße tun sich zusammen und kochen in einem großen Topf für alle das Mittagessen, welches dann von jeweils einem Familienmitglied abgeholt und zuhause in der Familie gegessen wird. Diese Gemeinschaftsküchen werden mit Lebensmittelspenden von Firmen, Privatpersonen, Bürgermeisteramt und Politikern gespeist. Uns war es ein Anliegen auch „unsere“ Projektfamilien in solchen Küchen zu integrieren, um die Hilfe effizienter zu gestalten. Zuerst waren es sieben Großküchen die wir mit Finanzhilfen von einheimischen Freunden, und dann mit Geldern aus Deutschland durchtragen, mittlerweile sind es 14, denn wöchentlich kommen neue Anfragen auf Hilfe hinzu. Diese 14 Gemeinschaftsküchen versorgen insgesamt 500 Familien, also ca. 3000 Personen mit einem Mittagessen.


Riesige Töpfe auf offenem Feuer oder auf einfachsten Gaskochern: die Gemeinschaftsküchen.

Chance in der Krise

Die ersten drei Wochen der Quarantäne mussten wir uns emotional erst mal neu sortieren. Sorge und Unsicherheit, sowie die vielen Nachrichten sorgten für unruhige Nächte und versetzten uns kurzfristig in eine gewisse Lähmung. Dann aber erkannten wir die enormen Chancen, die diese ungewöhnliche Situation mit sich bringt. Zum Beispiel sind die Männer Zuhause, sie haben keine Arbeit und sind offen für jede Abwechslung. So begann Wolfgang die Männer in unserer Nachbarschaft, mit der Bibel unterm Arm, zu besuchen. Das ist möglich, denn wir wohnen in einem ländlichen Vorort und die Polizeikontrollen beginnen erst drei Straßen weiter. Es ergeben sich oftmals gute Gespräche und wir hoffen und beten, dass es nicht nur bei leeren Worten und Absichtserklärungen bleibt. Durch unsere ganzen humanitären Hilfen sind wir über die Nachbarschaft hinaus nicht nur bekannt, sondern auch beliebt geworden. Ein digitaler Fernsehkanal ist über Annis Facebook Seite auf uns aufmerksam geworden und hat eine kleine Reportage gedreht. Dadurch kommen nun neue Hilfen und Spenden. Die neuen Kontakte zu den vielen fleißigen Frauen der Gemeinschaftsküchen werden uns später dienen unser Projekt ausweiten zu können. Und nicht zuletzt können wir Zuhause viele Dinge, die liegen geblieben sind, aufarbeiten und erledigen. Noch ist es uns nicht langweilig. Unser Leben hat sich etwas entschleunigt was wir auch genießen. Da aber die weltweite Entwicklung der Pandemie nicht abzusehen ist haben wir uns entschlossen unsere geplante Deutschlandreise im Oktober auf nächstes Jahr zu verschieben.


Ganz besonders bedanken wir uns bei Euch für alles "an uns denken" und für alle Gebete. Die werden wir besonders in nächster Zeit benötigen, denn trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, gesunder Ernährung und gutem Immunsystem ist es der Schutz des Höchsten den wir dringend brauchen. In diesem Sinne grüßen wir euch herzlich!

Eure Dorothea & Wolfgang Landes

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