EDANKEN:
„Waaaas? Schon wieder Mitte Juli!! Die Zeit, so scheint es uns, bekommt
Füße!“. Geht es euch auch so? Wolfgang meinte neulich: „Mein Leben könnte
ich manchmal mit einem „Siedler“ Spiel vergleichen: Ich strenge mich an mein
Ziel zu erreichen, baue Straßen, Siedlungen und Städte, komme weiter, doch
irgendwie sind andere schneller, besser oder haben einfach mehr „Glück“.
Es läuft nicht so wie man es sich wünscht. Es fallen die falschen Zahlen,
ich bekomme die falschen oder gar keine Karten, mit dem Handeln klappt es
nicht so, jemand verbaut meinen Weg und die Zeit läuft davon. Ich strenge
mich an, versuche das Beste, doch schlussendlich erreiche ich nicht das
Ziel, ein anderer war schneller. Dabei scheitere ich nicht an meinem
fehlenden Willen oder Können, sondern an den äußeren Umständen, die ich
nicht beeinflussen kann! „Die Zeit läuft davon“ – kennt ihr das?
Ob das nun die erste Midlifecrisis ist oder einfach am Leben in einem
Entwicklungsland liegt, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass das Leben auch
manchmal ganz schön zäh sein kann: Da hatten wir schon eine Milchleistung
von über 450 Litern am Tag, dann kommt zuviel Regen, eine Kälteperiode oder
das nötige Kraftfutter ist nicht lieferbar, und schnell wird man wieder
zurückgeworfen. Eine Trockenphase von über 4 Wochen lässt die frisch gesäte
Futterhirse nicht keimen, so dass wir Knappheit an Grünfutter haben. Über
ein Jahr stand nun unser Fiat Traktor still, nur weil es die passenden
Reifengröße nicht gab.
In der Milchwirtschaft ist es
wirklich so dass wir zwei Schritte voraus und einen wieder zurück gehen. Die
Liste der Besorgungen wird nie kürzer. Mindestens ein bis zweimal die Woche
müssen wir deswegen nach Santa Cruz fahren. In der Regel sind 2-3 Anfahrten
nötig um das Gewünschte dann auch zu bekommen.
Mit unserem
Bankraub (zur Erinnerung: Anfang
Januar wurden von unserem Konto 4800 $ geplündert) sind wir auch nicht
weiter. Der Rechtsanwalt produziert außer einem Stapel Papier nichts! „Wir
leben eben im geliebten Boli-Land“ sagt meine Schwester Beate so nett. Mich
(Dorothea) überkommt eine Depression weil über Nacht eine wild gewordene
Blattschneider-Ameisenkolonie meinen so geliebten und gepflegten
Blumengarten kahl nagt und nur noch erbärmliche Stängel übrig lässt.
Gesellschaftsspiel "Siedler":
vor dem Kamin, weil es so kalt ist (10 Grad). |
WINTER:
Es ist Winter geworden bei uns. Stürmisch pfeift der Wind ums Haus.
Und so scheint es, dass wir auch geistlich gerade mit sehr viel
Gegenwind zu kämpfen haben. Waren wir vor einem Jahr noch eine schnell
wachsende Gemeinde, so kann man dieses Jahr alles andere als das
behaupten. Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist gleich geblieben,
unsere Zellgruppen stagnieren. Wir würden uns so sehr mehr
Verbindlichkeit und Standhaftigkeit unserer Leute wünschen. Wünschen,
dass ihr chronischer Geldmangel endlich ein Ende hat, dass Freude und
Lebensenergie in ihrem Leben Einzug halten, sie aus ihrer Lethargie
und Depression aufwachen und die Verheißungen Gottes in ihrem Leben
Realität werden. |
Dann lese ich im
Aufatmen ein Gedicht der Kapitulation und Übergabe von Frauke Eicker:
Mein Nichts- für Dein Alles
Meine Leere für Deine Fülle
Meine Begrenztheit für Deine Grenzenlosigkeit
Meine Ohnmacht für Deine Allmacht
Meine Stolz für Deine Demut
Meine Sünde für Deine Heiligkeit
Mein Alles für Dich selber- HERR
Ja, das ist es, denke
ich. Wir müssen immer wieder loslassen, abgeben in Jesu Hände und trotz
allem Gegenwind eben nicht aufgeben!
„Meine Ungeduld für Deine Geduld, mein Versagen für Deine Perfektion, meine
Niedergeschlagenheit für Deine Freude, mein Alles für Dein Alles HERR!“
füge
ich hinzu.
ABGEBEN, ABER NICHT
AUFGEBEN!
Ich glaube das ist momentan unser Kurs. Und wie heißt es so schön im seinem
Wort: „es wird nicht durch Kraft oder Macht geschehen, sondern durch meinen
Geist spricht der Herr!“ Daran glauben wir fest, und so laufen wir den guten
Lauf weiter und wollen nicht müde werden, bis zum Ziel, wie es Paulus
schreibt.
WOCHENPLAN:
Neben den zwei Alltag
bestimmenden Säulen, nämlich das Kinderheim mit 14 Kindern, welches Karin
und Stefan betreuen, und der Milchwirtschaft mit Wolfgang als
Verantwortlichen, bietet der gemeinsame Aufbau unserer kleinen Gemeinde
einiges an Programm. Hier unsere regelmäßigen Wochenaktivitäten im
Überblick:
Montag: Fahrt nach Santa Cruz. Die Fahrt wird regelmäßig für Besorgungen
genutzt. Stefan nimmt Gitarrenunterricht, so sind Fam. Pohl meistens auch in
der Stadt unterwegs.
Dienstag: Morgens haben
wir Teamsitzung und Gebet mit Karin und Stefan. Das ist sehr gewinnbringend
und wichtig für uns als Viererteam und für die Leitung der Gemeinde.
Nachmittags ist Frauenzellgruppe die ich (Dorothea) leite.
Mittwoch: Morgens fahre ich
mit Rina, einer Frau aus meiner Zellgruppe, in das halbstündig
entfernte Dorf Okinawa. Dort treffen wir uns seit ca. 3 Monaten mit
Anna Reina die, neu im Glauben, sehr dankbar für unser gemeinsames
Bibelstudium und Gebet ist. Auch ihre Mutter sowie Schwiegermutter
setzten sich schon manchmal zu uns und sind offen für das Evangelium.
Anna Reina selbst gibt ein gutes Lebenszeugnis ab. Ihre Mutter meinte
letzten Mittwoch: „Es ist gut daß Du immer kommst. Anna Reina schreit
längst nicht mehr so viel, schlägt ihre Kinder nicht mehr und ist
freundlicher!“ Ihr Mann Marcelo wird, so weit es die Zeit zulässt, von
Wolfgang betreut. Die Gespräche bringen ihn immer wieder zum
nachdenken. Wir beten, dass Marcelo seine Ängste verliert und durch
eine ganze Hingabe zu Jesus auch fähig wird seine Lebensprobleme zu
lösen. |
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Nachmittags mache
ich eine Zellgruppe für Mädchen von 8-12 Jahren die begeistert besucht
wird. Derzeit arbeite ich viel mit Rollenspielen: das spielen und sich
in die Rollen hineinversetzen ist für mach scheues Mädchen eine große
Herausforderung, macht aber allen großen Spaß. Danach treffen sich ca.
12 Jungs im Alter von 10-15 Jahren mit Stefan. Die Geschichte: “Nicht
wie bei Räubers“, die Karin übersetzt hat, fesselt die Jungs und
Teeangermädchen gleichermaßen.
Abends leitet Stefan die Männerzellgruppe, die auch Wolfgang besucht. |
Donnerstags gestaltet
Karin nachmittags die Zellgruppe mit ihren Mädchenteenagern.
Abends sind meistens Sonderveranstaltungen wie Taufkurse, Vor- sowie
Nachtreffen der Heilungswochenenden.
Freitagabend treffen
sich abwechselnd die fünf männlichen und sechs weiblichen Teilnehmer des Leiterschaftskurses. Die Verantwortung des weiblichen Kurses teilen Karin
und Ich, den Leiterkurs für Männer leitet Stefan.
Samstag nachmittags
mache ich Kinderstunde mit den Kleinsten, parallel dazu gibt es die
neuerdings eine Leiterschaftsgruppe für Teenager von Karin oder Stefan.
Anschließend treffen wir uns im Anbetungsteam um die Lieder des
Sonntaggottesdienstes durchzuspielen.
Sonntagmorgens ist
wieder Leiterschaftskurs und Abends Gottesdienst.
ABGEBEN, ABER NICHT AUFGEBEN!
Deswegen machen wir auch alle vier immer wieder Dorfbesuche mit Einzelgespräche
und Beziehungspflege. Wolfgang ist in das Direktorium des lokalen
Bauernverbandes gewählt worden, da gibt es dann auch immer wieder Sitzungen
und Verpflichtungen aber auch viele Möglichkeiten. Stefan ist Mitglied des
Elternrates in der hiesigen Dorfschule, auch da bleiben Bittstellungen nicht
aus.
BESUCHE:
Immer wieder dürfen wir Leute aus Deutschland bei uns empfangen und
verabschieden. So zum Beispiel meine Schwester Beate. Sie war nun 11
Monate bei uns in Bolivien als Lehrerin unserer Mädels (Laura Pohl &
Ann-Kathrin) tätig. Sie selbst sagt: „Ein Sabbatjahr liegt hinter mir,
wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht besser hätte
vorstellen können!“ Tatsächlich, neben dem Unterricht konnte Beate
nicht nur noch verschiedene Reisen unternehmen sondern auch ganz neu
ihre Beziehung zu Gott erleben und erneuern. Für mich war es eine ganz
besondere Zeit einen Teil meiner Familie bei mir zu haben, und wir
haben es zusammen sehr genossen. „Beate, ganz, ganz herzlich danken
wir Dir für Deinen Einsatz, Liebe und Hingabe!! Es war schön Dich hier
zu haben und wir danken unserem Herrn für alles was er in deinem Leben
getan hat. Du wirst uns wirklich fehlen!“ |
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Im Mai hatten wir für 3 Wochen
Besuch von meinem Neffen Joachim Sautter, auch das ist erwähnenswert
weil Joachim nicht nur im Volleyball Team des Dorfes bleibenden
Eindruck hinterlassen hat! |
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Heidi Goletz bleibt uns noch
bis September erhalten, sie bestreitet tapfer den Unterricht unserer
zwei wild gewordenen Indianer Thomas und Timo. Wir freuen uns dass alle
vier Kinder das Schuljahr erfolgreich abgeschlossen haben, bis Mitte
Juli nun genießen sie ihre Ferien. |
ZUKUNFT:
Im August erwarten wir Barbara Ströhle und Lisa Lössen, zwei Abiturientinnen die es für ein
Jahr bei uns wagen wollen, im November wird dann noch Ursula, eine
Sozialpädagogin hinzu stoßen, da Familie Pohl im Dezember ihren Heimatdienst
antreten wird. Auch diesbezüglich heißt es Abgeben, aber nicht Aufgeben.
Während der Abwesenheit von Karin & Stefan werden wir die
Gesamtverantwortung übernehmen sowie die Finanzen des Heimes mit deren
Buchführung bestreiten. Für den Alltagsbetrieb und die Kinderbetreuung wird
eine zusätzliche Kraft aus Santa Cruz kommen, und wir hoffen mit den drei
deutschen Volontären ein gutes Team zu bilden.
ZUM SCHLUSS:
Abgeben, aber nicht Aufgeben, so heißt es derzeit bei uns in fast allen
unseren Lebensbereichen. Was ist bei euch „dran?“ Geht es Euch manchmal so
wie uns? Über Resonanzen und Antworten Eurerseits freuen wir uns sehr,- nach
sechs Jahren Bolivien und drei Jahren seit unserem letzten Heimatdienst
lassen langsam die Beziehungen zu Deutschland nach. Wir wollen Euch nicht
mit unseren Berichten langweilen, sondern sind bemüht einfach, ehrlich und
transparent von unserem Leben zu berichten. Deswegen ermutigen wir euch uns
zu schreiben, gerne auch per Email, eventuell Fragen zu stellen,
gegebenenfalls Kritik zu üben oder einfach eure Gedanken zu äußern, damit
auch wir an eurem Leben teilhaben können.
Abgeben, aber nicht
Aufgeben, das geht nur mit Blick nach oben, mit Blick auf unseren Herrn. In
diesem wünschen wir euch einen schönen, sonnigen Sommer.
Gott anbefohlen und alles Gute,
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