Dorothea & Wolfgang Landes
Hogar de Niños
"Wayne Walker"

Februar 2007

Los Chacos, Santa Cruz - Bolivien

Bericht in der Missions-Zeitung der VDM
Ausgabe Februar 2007


Apr 07


Okt 06

Inhaltsverzeichnis

Dilemma

Als Agraringenieur war ich 1999 der ideale Mann, der für die Milchwirtschaft des Kinderheims „Wayne Walker“ der Baptistengemeinde in Santa Cruz als Verwalter in Frage kam, als diese ein Projekt mit dieser Ausrichtung aus USA geschenkt bekommen hat. Inzwischen arbeite ich seit 8 Jahren in diesem Landwirtschaftlichen Betrieb hier in Los Chacos. Im Vergleich zu den Anfängen, gab es eine enorme Steigerung der Produktion, der Infrastruktur und vieles Mehr. Daneben gibt es bis heute auch viele Probleme und das Hauptziel, den Unterhalt des Kinderheims zu erwirtschaften, ist noch nicht erreicht. In der Landwirtschaft arbeiten fünf Männer aus dem Dorf und seit etwa Ende 2006 ist eine Unzufriedenheit über die Löhne aufgekommen. Im Anschluß möchte ich etwas von dieser Problematik erzählen, aber ich muß noch erklärend voranstellen, daß die Leute hier nicht so richtig zu verstehen scheinen, daß ich nicht der Eigentümer, sondern der Verwalter bin.

Aber da ich im Direkten Kontakt mit den Arbeitern stehe und man im einheimischen Kontext schon von "una Empresa" (einer Firma) sprechen würde, braucht es sehr viel Überzeugungsarbeit, wenn es um die Löhne geht. Unterschwellig wird mir vermittelt, ich sei reich und das erreichte Wachstum, was ja deutlich erkennbar ist, wird darauf zurückgeführt. Aber es ist ein subventioniertes Wachstum, und mein täglicher Kampf ist ja gerade der, das Betriebsergebnis dem verantworteten Kapital anzupassen. Mit anderen Worten: die Anschaffungen, die normalerweise mit Krediten oder dem Überschuss eines Betriebs getätigt werden, sind nur dann Sinnvoll, wenn sie auch erhalten werden können. Wenn der Betrieb mit der Bank arbeiten müsste, dann wären wir entweder schon Konkurs gegangen oder man hätte nur langsamer wachsen können, eben entsprechend den realen Ertragserwartungen (um Kredite auch abtragen zu können). Hier dagegen wird mit Spenden investiert und der Betrieb hochgradig subventioniert, aber wenn das Betriebsergebnis nicht stimmt, geht diese gut gemeinte Kapitalerhöhung auch wieder verloren. Das Betriebsergebnis lässt derzeit keine höheren Löhne zu, weil sich die Kostenbelastung an der Grenze des Machbaren befindet.

Auf der anderen Seite hängen einige der Männer auch allgemein anzutreffenden Wunschvorstellungen nach: Sie glauben, daß wo anders mehr bezahlt wird. Darüber gibt es aber keine zuverlässigen Angaben, denn es wird nicht Berücksichtigt, zu welchen Bedingungen. Ich dagegen versuche hier den Männern ein anständiges Verhältnis von Arbeitszeit und Freizeit zu ermöglichen, vor allem im Hinblick auf ein gesundes Familien- und Gemeindeleben. An anderen Stellen wird vielleicht ein höherer Bruttolohn bezahlt, aber die Arbeitszeit ist fast 100% der verfügbaren Zeit, was wiederum bedeutet, daß pro Stunde gar weniger oder zu mindestens nicht mehr bezahlt wird. Diese Sicht der Relation von Leistung und Gegenleistung fällt den Leuten sehr schwer, besonders wenn sie kaum Bildung haben. Dann kommt noch was anderes hinzu, und das fällt nun mir schwer den Leuten klar zu machen, weil sie wirklich alles geben was sie können: wenn sie mehr leisten würden, dann könnte man auch über ein anderes Lohnniveau sprechen. Aber sie merken nicht, das sie eigentlich ungelernte Hilfsarbeiter sind, die nicht mehr gelernt haben, als die Machete zu schwingen. Was ist schon alles kaputt gegangen auf Grund von mangelnder Kenntnis. Wieviel Geduld habe ich schon in diese Leute investiert und Schaden mit Ertrag kompensiert!

Und sie brauchen nach wie vor einen permanenten "Aufpasser" und "Organisierer" der sie leitet. Und genau da liegt der Haken: Sie sind nicht in der Lage zur Selbständigkeit zu gelangen. Wenn ich mal nicht mehr den Betrieb leiten kann, dann muß, wenn man das Einheimische Vorbild nimmt, der Betrieb von einem "Encargado" oder "Administrador" geführt werden. Auch wenn ich mir erhofft habe, daß meine Arbeiter zukünftig selber in der Lage sein würden diese Aufgabe zu übernehmen, so wird das wahrscheinlich nicht gehen. Nach Deutschem Vorbild, wo Lehrlinge durchaus das Zeug zum Gesellen haben und einer der Gesellen dann Meister werden würde, wäre dies ja durchaus vorstellbar. Das scheitert aber am Vermögen der Leute hier. Es muß also ein "Encargado" her, und der würde dann etwa das verdienen, was die Männer sich jetzt wünschen.

Das ist das Dilemma. Das ganze wird noch dadurch verschärft, daß man hier in unserer Gegend eigentlich mindestens 200 bis 300 US$ (pro Monat) bräuchte um angemessen (d.h. außerhalb der Armut) leben zu können. Hier verdienen die Leute "nur" 125 US$. Da prallt das gesamte Elend eines Unterentwickelten Landes auf die guten Absichten einiger Missionare: wir sind einfach auch nicht in der Lage eine Heile Welt zu bringen. Das geringe Lohnniveau ist Gesamtwirtschaftlich zu sehen, und davon abgesehen ist unser internes Lohnniveau durchaus hoch (auch da übersehen die Männer gerne die Lohn-Nebenleistungen und Arbeitsbedingungen). Ich kann aber auch verstehen, daß sie sagen "was sollen wir denn machen, wenn uns der Lohn nicht für den Unterhalt einer Familie mit 6 Kindern reicht?“ Ich habe da dann nur die Möglichkeit ausweichend darauf hinzuweisen, daß sie Teil einer Gesellschaft sind, die diese Ungerechtigkeit bis heute toleriert hat und sie selber auch Teil dieses Systems sind. 50% oder mehr der Leute leben hier in Armut. Das Dilemma geht dann für mich weiter, wenn ich die gleichen Leute in der Hauskreiszelle sitzen habe und von der Hoffnung auf Gott erzähle. Dann fühle ich mich wirklich so ohnmächtig und Hoffe, daß Jesus die Leute und unseren Dienst hier trotzdem reich Segnet. Wir brauchen auf alle Fälle viel Weisheit und Führung und bitten um Ihre Mithilfe im Gebet.

Wir Danken herzlich für alle Unterstützung und Grüßen herzlich aus Bolivien.

Wolfgang und Dorothea Landes.

 

weitere Berichte:   April 2007   Februar 2007   Oktober 2006   Inhaltsverzeichnis

nach oben